Ich wollt, dass ich daheime wär


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Das Leiden und Sterben Jesu wird beim Passionskonzert 2010 des Vocalino Wettingen stilistisch gegensätzlich musikalisch interpretiert. Bei den sieben letzten Worten wechseln instrumentale Teile mit solistisch besetzten und Chorsätzen. Die Soli singen Musikstudenten aus dem Vocalino. Klangvolle Akkordik, schlichter, teilweise psalmodisch orientierter Gesang und komplizierter Kontrapunkt: dies sind die wechselnden Stilmittel des ausdrucksvollen Meisterwerkes von H. Schütz. Bei der Motette „Die mit Tränen Säen“ wird die Harmonik durch chromatisch aufsteigende Stimmen bis an die tonalen Grenzen der Barockzeit geführt. Kontrastierend dazu wirkt das schwungvolle „werden mit Freuden ernten“, in dem die Auferstehung bereits anklingt.

Das tragische Leben und Sterben von H. Distler (1908-1942), dessen Werk als entartet gebranntmarkt wurde, spiegelt sich in der Passionsgeschichte, wodurch die Musik persönlichen Ausdruck und Erlebnistiefe erhält. Distler orientiert sich an der polyphonen Schreibweise von H. Schütz und dessen Vorgängern und kombiniert sie mit seiner lebendigen Polyrhythmik. Tonal ist die Dissonanz bei Distler etabliert, sprengt den tonalen, kirchentonartlich geprägten Rahmen aber nicht. Der eigens für das Vocalino komponierte Psalm 13 des Dirigenten Stefan Müller verbindet rhythmische Elemente der minimal music mit Bitonalität. Besondere Intervalle werden in die Akkordik und Modulation eingefügt.

Während Distler als Antipode zur Romantik galt, verkörperte F. Liszt das romantische Genie wie kein zweiter. In seinem Spätwerk öffnete er den tonalen Rahmen in Richtung Chromatik dermassen, dass das tonale Zentrum verloren geht und in die Pause mündet. Generell nimmt die Stille immer mehr Raum ein. Formal betrachtet wirkt die Musik fragmentarisch, der grosse Bogen wird negiert, die innere Verlorenheit spiegelt sich im Äusseren wieder. Zu Recht gilt F. Liszt als Visionär und Wegbereiter der musikalischen Moderne. Gesualdos „Tristis est anima mea“ führt in noch entlegenere Tonorte als Schütz. Seine persönliche extreme Leidenschaft und die konsequente Missachtung der Kompositionsregeln lässt das 20. Jh. bereits ahnen. So wurde er von Stravinski u.a. verehrt und imitiert Stravinski. Sein Spätwerk nähert sich der Zwölftontechnik seines Widersachers Schönberg an. Das auch heute erstaunlich modern wirkende Werk ist stilistisch einheitlich, formal symmetrisch konstruiert. Die Akkorde bestehen oft aus verminderten Quinten, grossen Septimen und anderen Dissonanzen, die das tonale Geflecht aber nicht komplett auflösen. Das Gedicht von T. S. Eliot verbindet biblische Bilder mit der Bombardierung Londons im II. Weltkrieg. Den Abschluss bildet das meditative „Miserere“ von Allegri, das 1630 komponiert wurde und jeweils in der Karwoche erklang. Da das Werk nicht aufgeschrieben werden durfte, wurde es bald zu einem Mythos, bis Mozart die Notation nach Gehör gelang.

Programm

Heinrich Schütz Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz
Die mit Tränen säen
Franz Liszt Via Crucis
Carlo Gesualdo Magnificat
Tristis est anima mea
Hugo Distler Ich wollt, dass ich daheim wär
In der Welt habt ihr Angst
Wachet auf
Stefan Müller Psalm 13
Igor Strawinski Anthem
Gregorio Allegri Miserere

Konzerte

Donnerstag, 1. April 2010 19.00 Uhr Ref. Kirche Birmenstorf
Samstag, 3. April 2010 17.00 Uhr Klosterkirche Wettingen

Besetzung

Vocalino Wettingen (Leitung: Stefan Müller)
Jonas Herzog, Orgel